Auf der schwarzen Rückwand der Bühne zeigt sich rechts der schtten eines Mannes. Links stehen ein grauer und schwarzer Stuhl.Ein ganz besonderer Workshop

Warum besonders? Meine Erfahrungen in Theater-Workshops, die ich bisher machte, waren doch immer mit besonders faszinierenden, Körper und Geist beanspruchenden und bereichernden Erlebnissen verbunden. Auch die Spielfreude in einer aufgeschlossenen Gruppe ist motivierend.

Dieses Mal jedoch dachte ich gar nicht an eine Teilnahme. Ich fühlte mich erschöpft und verunsichert von der Ensemblearbeit. Sie brachte mich sehr an meine Grenzen. Ich fühlte mich neuerdings beklommen und nicht mehr voller freudiger Erwartung, wenn ich unseren Pavillion betrat. Diese Veränderung bedrückte mich und ich fand zunächst keinen Weg daraus.

Die Einaldung

Dann kam Giannis Mail mit der Einladung zum Theater-Workshop:

„Wir beschäftigen uns ausführlich mit dem Zug-um-Zug-Spiel, das habe ich oft als dein Anliegen gehört.“

Links sitzt eine Frau und spricht mit einem Mann der rechts neben ihr auf einem Stuhl sitzt. Er hört ihr interessiert zu. Beide tragen schwarze Übungskleidung und sind auf der Bühne.Zum einen freute mich die persönliche Ansprache, zum anderen stimmte seine Vermutung. Genau darüber war ich auch gestolpert: meine Figur war meist so bemüht alles an Stilmitteln zu zeigen. All die Regieanweisungen umzusetzen, dass sie ihr Gegenüber nicht mehr wahrnahm und ein Zug um Zug – Dialog misslang. Das brachte schließlich mich und Wolfgang zur Verzweiflung.

Also meldete ich mich an und merkte dabei schon wieder meine altbekannte Vorfreude, die ich so vermisst hatte. Ich freute mich auf die Gruppe und auf die Erfahrungen die mich erwarten würden. In der Eingangsrunde äußerte ich mein Anliegen:

„Ich möchte mich nicht mehr klein machen. Meine Neigung zur gebeugten Körperhaltung aufgeben. Der Wunsch mich an diesem Wochenende einfach nur auszuprobieren, meinen inneren Druck/Anspruch loslassen, und Angebote annehmen.“

Auch bei den anderen Teilnehmern kam der Wunsch zum Ausdruck. Mit Ruhe und Zeit, abseits vom Alltag, Erfahrungen im Schau-Spiel zu machen, die Stimme zu befreien, sich neu und anders in einer Figur zu erleben und vieles mehr.

Erinnerungen an den Theater-Workshop

Ein Mann steht hinter einer Frau. Sie zeitgt ein entsetztes Gesicht. Beide tragen schwarze Übungskleidung und sind im schwarzem Bühnenraum.Wir begannen mit Stimmübungen: Summen, Kopfräume öffnen, das Summen oder Vokaltönen mit der atemrhythmischen Bewegung, die Fokussierung auf den Unterbauch –  Zwerchfellatmung. Ich fühle mich darin sicher, in meiner Mitte, entspannt, kann mich an der Steigerung der Töne, besonders, wenn sie mit denen der anderen zusammenklingen, berauschen.

Nach viel Zeit für Körperentspannung auf dem Boden kamen die Partnerübungen und die Übung, mit einem Körperteil ein Gefühl auszudrücken:

  • Eifersucht mit den Füßen,
  • Verachtung mit dem rechten Arm
  • Wollust mit einem Fuß

Das war durchaus eine Herausforderung. Schließlich sollte ein Gefühl gezeigt werden, das dem einen oder anderen eher fremd war, Eifersucht, oder das eigentlich verborgen bleiben soll, Wollust, oder tabuisiert ist, Verachtung.

Spiellust

Auf der Bühne dann zunächst jeder allein – mit einem imaginierten Gegenüber. Wichtig die Aufforderung Übergänge von einer zur anderen Emotion zu zeigen. Später dann auf die Bühne zu zweit – Zug um Zug, ohne Worte oder mit Phantasiesprache!

So entstanden kleine und sehr unterschiedliche Szenen. In denen der beredte Körperausdruck im Fokus stand, dass sich Zeit lassen, Vermeiden von allem Flüchtigen, besonders auch das Wagen von Übertreibungen und natürlich das Reagieren aufeinander. Mit Tobias und Marc durfte ich mich ausprobieren und fühlte mich richtig wohl dabei. Die Angst zu versagen war der Lust am Ausprobieren gewichen und ein gewisses Zutrauen wuchs durch die Erfahrungen, Spiellust und die hilfreichen und positiven Rückmeldungen.

Am Sonntag wählten wir per Zufall zwei Dichterzeilen aus Faust II aus:

„Bezähme deinen Schritt. Ich raste nicht. Nimm mich mit.“

„Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis. Das Unzulängliche, hier wird’s Ereignis.“

Wir übten das Sprechen mit unterschiedlicher Betonung jedes Wortes, verschiedener Sprechmelodie, Stimmfärbung. Dann zu zweit Zug um Zug wieder mit variiertem Ausdruck, Körperhaltung, Mimik.

Was fehlte noch? Natürlich die Gebärden. Wieder per Zufall gewählt, gab es z.B. das ruckartige Bewegen oder das Wegspreizen der Hände, das Hände zusammenbringen und wieder trennen und für mich die mittlere und untere Darbietung. Wir probierten, was mit den Gebärden möglich ist, fühlten uns hinein, ließen uns von ihnen führen.

Ein Mann steht gebeugt seitlich neben einer sitzenden Frau. Beide schauen in die gleiche Richtung. Sie hat einen staunenden Blick und er zeigt ihr anscheinend etwas. Beide tragen schwarze Übungskleidung und sind im schwarzem Bühnenraum.

Wie frisch verliebt

Auf der Bühne kam das Stilmittel „extreme Mimik“ noch hinzu. Also galt es zu zweit eine Szene mit dem Text, ausgeprägter Mimik und der Gebärde zu gestalten – Zug um Zug!

Die untere Darbietung verführte mich zunächst wieder eine gebeugte Körperhaltung einzunehmen – ich dachte dabei an das Handeln in unterschiedlichen Raumhöhen. Gianni stoppte mich und fragte, ob ich nicht auch aufrecht zum Boden kommen könne. Aufrecht knien? Ja – es ging – ich freute mich richtig über die neue Entdeckung. Wolfgang sagte, ich würde strahlen wie frisch verliebt. In der Tat, ich hatte mich in die Gebärden verliebt. Im Spiel mit Marc bekam ich durch sie Impulse und konnte Impulse an meinen Partner geben. Genauso bekam ich Impulse und konnte sie aufnehmen. Ich traute mich extreme Mimik einzusetzen und endlich dachte ich nicht mehr darüber nach, wie das wohl aussieht oder wirkt.

Überhaupt das Wirken-wollen

Es ist eine schlimme Versuchung, meist unterliegt man ihr ganz unbewusst. Aber ich habe bei mir und anderen erlebt, dass die präzis ausgeführten Gebärden helfen, ihr nicht zu verfallen. Sie geben Halt und schenken ungeahnte Ausdruckmöglichkeiten, die zurückwirken und es geschieht plötzlich etwas – ohne wollen und ohne Hemmung.

In der Abschlussrunde konnten wir alle davon sprechen, das etwas mit uns geschehen ist. Was uns berührt hat, als etwas Neues zum Vorschein gekommen ist. Das ist bei dem einen die Entdeckung einer neuen, wunderbaren Stimmqualität, einem Körperausdruck, einer gelungenen Überwindung, oder die wieder erlebte Freude am Schau-Spiel. Wir sprachen aber auch darüber, dass es ist nicht immer leicht ist, den Spiegel vorgehalten zu bekommen, sich selber zu begegnen und an seine Grenzen zu stoßen. Es gehört Mut dazu, es tut manchmal weh, aber es eröffnet auch so viel an Möglichkeiten und Wachstum.

Ich weiß nicht von wem das Zitat ist, aber ich finde es passend:

„Schauspiel ist der lange Weg zu sich selbst“.

Mein Fazit

Eine Frau sitzt lachend auf einem grauen Stuhl. Sie zeigt ihre rechte Fusssohle. Sie trägt schwarze Übungskleidung und befindet sich auf der Bühne.

In einer unserer Szenen war von Schritten und dem Stolpern die Rede. Eine passende Metapher für meinen Prozess. Ich habe im TheaterLabor Traumgesicht schon einen langen Weg zurückgelegt und viel erfahren, was ich nicht missen möchte. Ich bin oft leicht und zuletzt schwer und schmerzhaft ins Stolpern gekommen, hatte wohl Orientierung verloren. Am Ende des Theater-Workshops habe ich diese wieder gefunden in den vielen Stilelementen. Auch in den Erfahrungen die ich machen durfte mit den Anderen und in den wertschätzenden und ernsthaften Rückmeldungen. Ich fühlte mich sehr erleichtert und glücklich darüber, wieder aufgestanden zu sein. Das Slow Acting von Wolfgang Keuter war für mich oft ein Kostüm oder Gewand das mit zu eng erschien oder mich in Straucheln brachte, jetzt beginnt es mir zu passen, ich fühle mich wohl darin und möchte damit weiter gehen.