Schatten, Licht und Liebe…

Zu einer „stimmungsvollen Matinée für den Frühling“ mit dem Titel „Schatten, Licht und Liebe“ hatten Wolfgang Keuter und Sybille Karrasch eingeladen, Wolfgang zu seiner Rezitation von Gedichten, Sybille zu ihrer improvisierenden Begleitung mit dem Klavier.

Wolfgang Keuter steht am Klavier, er trägt ein Tweedsakko und einen blauen Pulli. Sybille Karrasch sitzt am Klavier ist schwarz gekleidet und trägt einen roten Schal. Beide lächeln in die Kamera

Es geht um die Liebe, ihre Seligkeiten und Verwicklungen. „Wir alle kennen diese Themen aus eigenen Erfahrungen, unabhängig vom Lebensalter. Der stimmige Umgang mit ihnen ist nicht einfach…Das wissen wir. Darum versuchen wir`s…mit Emotionen und Humor“, so Wolfgangs und Sybilles Einstimmung auf diesen Vormittag.

Emotionale Nähe

Wolfgang lässt sich in seinem Sprechen der Texte auf große emotionale Nähe zu dem jeweils sprechenden lyrischen Ich ein, und Sybille lässt ihr Piano einfühlsam darauf reagieren.

Wir werden Zeuginnen und Zeugen eines wortlos fein aufeinander abgestimmten Dialogs zwischen Sprache und Musik.

Von Anfang an gelingt es Wolfgang Keuter, seiner Stimme für jeden Text einen ganz eigenen Klang zu verleihen, den Sybille Karrasch leise umspielend, in Mollklängen modulierend wie auch im drehfreudigen, mal zarten, mal vitalen Walzertakt beantwortet.

Und: Nach jeder Reaktion des Klaviers entsteht ein langer Moment der Stille – wohltuende Zeit für uns Zuhörerinnen und Zuhörer, dem Gehörten nachzuspüren und dabei auch unseren persönlichen Assoziationen Raum zu geben.

Von den Glücksmomenten der Liebe sprechen die Gedichte, von der Erinnerung an sie wie auch – und das eigentlich noch häufiger, von ihrem Verlust, vom Schmerz des Verlassenseins…

Besonders…

Einige der durchgehend sehr komplexen Texte haben sich mir besonders eingeprägt – so lassen mich an diesem Vormittag Hilde Domins Worte „dem Wunder leise wie einem Vogel die Hand hinhalten“ die Unverfügbarkeit der Liebe neu spüren. Auch in Erich Kästners „Sachlicher Romanze“ kann ich in der letzten Strophe im Gegensatz zu meinem früheren Verständnis (ich habe sie als sehr ironisch interpretiert) die sprach-lose Erschütterung wahrnehmen: „Sie gingen ins kleinste Café am Ort / und rührten in ihren Tassen. / Am Abend saßen sie immer noch dort / und konnten es einfach nicht fassen.“

Mascha Kaleko beschreibt mit „verwaistem Herzen“ die Verfassung einer Person, der die ganze Welt vergällt ist, „weil du nicht da bist“.

Ungeschminkt

Dass die Glücks-Augenblicke der Liebe dem ständigen Wandel alles Lebendigen unterworfen sind, in ungeschminkter Diktion erspart uns Wolfgang auch diese Wahrheit nicht, als er schlicht, mit tiefer Stimme, ernst rezitiert: „Wer hat die Liebe denn Liebe genannt? Ihr wahrer Name ist Tod.“

Und dennoch: Pablo Neruda hat seine Geliebte zu seiner „Königin“ ernannt – die „Krone aus Kristall“ auf ihrem Haupt sieht niemand, „und niemand schaut den Teppich aus rotem Gold, den jeder Schritt von dir betritt, den Teppich, der gar nicht da ist.“ Allein der liebende Blick des Mannes sieht die Schönheit der geliebten Frau in ihrer Einzigartigkeit, und da „rauschen alle Flüsse in meinem Körper, rütteln die Glocken am Himmel, und ein Hymnus erfüllt die Welt.“

Mit Augenzwinkern

Als Beispiel für die Boshaftigeit eines verlassenen Liebhabers haben Wolfgang und Sybille Heinz Ehrhardt gewählt, der seinem Leben zunächst ein Ende setzen will – „ich stürzte mich in einen Bach, aber der war zu flach.“ In seiner weiteren Reflexion zieht er es dann vor, der untreuen Geliebten den Tod an den Hals zu wünschen…

„Aber auch das Frivole wollten wir nicht außen vor lassen“, moderiert Wolfgang den „Ferngruß von Bett zu Bett“ von Ringelnatz an. Und so spricht er volltönig vibrierend, auch mit Augenzwinkern, von der Verwegenheit der Lust in den „seidenen Kissen“, die dem Ehemann der Geliebten gehören. Bevor Sybille eine recht vitale Walzermelodie erklingen lässt, kommt doch nachdenkliche Wehmut  ins Spiel – die ekstatische Nacht gibt es nur in der Erinnerung, eine Wiederbegegnung der Liebenden ist ungewiss: „Nun bist du fern. / Gute Nacht.“

„Die Liebe ist ein Himmelsmacht“   —   „ihr wahrer Name ist Tod“.

Sybilles Premiere

Dass es zwischen diesen beiden Polen ein Drittes gibt, ließ ein Gedicht von Sybille Karrasch – nach einigen anderen in vergleichbarer Tonart rezitierten – besonders deutlich anklingen.

Sybilles Gedicht wurde bei dieser Matinée zum ersten Mal einer Öffentlichkeit präsentiert. Eine Premiere! Herzlichen Glückwunsch, Sybille!

Das lyrische Ich in Sybilles Gedicht wendet sich an einen aus der Beziehung ausgebrochenen Geliebten, verschweigt nicht den Schmerz, auch nicht die Verbitterung angesichts des Verlassenseins,, aber es behält den Boden unter den eigenen Füßen und ist so in der Lage zu einem versöhnlichen Ton, in dem es dem Anderen Gutes für seinen weiteren Weg wünscht.

Danke

Beim Verlassen des Vortragsraums höre ich, wie eine Zuhörerin zu einer anderen sagt: „Ich finde es gut, dass sie das Ironische und Satirische ganz am Rand gelassen haben.“

Ja, das haben sie!

Die existentielle Dimension der Liebe und die Sehnsucht nach ihr haben Wolfgang Keuter und Sybille Karrasch in einer sensibel dosierten Mischung aus Ernsthaftigkeit und Lächeln zum Klingen gebracht.

In circa 90 Minuten. Im TheaterLabor TraumGesicht. Danke!