Dieser gemalte Hintergrund, ist das ein dunkler Garten?
Hugo von Hofmannsthals „Der Tor und der Tod“ war auf der Bühne des Theaterlabor Traumgesicht zu sehen.
Claudia sitzt auf der Bühne und schält einen Apfel. Das tut sie derart meditativ und bedächtig, dass man als Zuschauer*in einige Minuten Zeit hat, über die Symbolik dieser Frucht nachzudenken. Auch das Bühnenbild oder die Rosen auf dem Tisch kann man eingehend betrachten und alles miteinander in Einklang bringen:
Ziemlich düster alles… Gibt es überhaupt ein Symbol, das noch mehr mit Bedeutung aufgeladen ist als der Apfel? Dieser gemalte Hintergrund, ist das ein dunkler Garten? Oder ein altes, halb verfallenes Gebäude? Und diese Rosen… Sind die verblüht? Alles recht dunkel und rätselhaft…
Und dann geht es plötzlich los: Claudia führt einen langen Monolog zwischen Trauer, Verzweiflung und mit einer gehörigen Portion Selbstmitleid. Das Stück wurde sprachlich dem Original gegenüber kaum verändert, doch diese Sprache wirkt kein bisschen altertümlich oder konstruiert. Das ist vor allem der Verdienst von Sigrid Abendroth, die den Text so auf die Bühne bringt, als würde sie ihn gerade spontan sprechen, weil es eben ihre bzw. die Empfindungen der Figur sind angesichts des nahenden Todes, der später die Bühne betritt.
Nimmt er sie ernst oder macht er sich über sie lustig?
Nicht selten findet man den Tod in der bildenden Kunst als menschliche Figur, versehen mit wiedererkennbaren Merkmalen oder Symbolen: Totenköpfe, Kreuze und so weiter… Eine neonfarbene Mütze sucht man in der Regel eher vergeblich. Nicht so auf der Bühne des Theaterlabors: Der Tod, dargestellt von Wolfgang Keuter, hat eine knallgelbe Mütze auf dem Kopf und tanzt mit langsamen, bedächtigen Gesten auf der Bühne um die Hauptfigur Claudia herum, die sich durch diese Bewegungen zunächst sichtlich bedrängt fühlt. Später kommt es dann zu einem gemeinsamen Totentanz, bei denen die Bewegungen der beiden für kurze Zeit aufeinander abgestimmt sind. Dennoch wird man das Gefühl nicht los, dass Claudia sich weiterhin dagegen wehrt, von ihm vereinnahmt zu werden. Vielleicht liegt das auch ein bisschen an seiner Art, mit ihr zu sprechen. Man könnte sie überheblich nennen, vielleicht auch ironisch. Nimmt er sie ernst oder macht er sich über sie lustig?
Ernst ist auf jeden Fall Claudias Mutter, die Claudia mit ihrer Vergangenheit konfrontiert. Eine zittrige alte Dame betritt die Bühne, sie trägt eine Pailetten-Jacke und wirkt trotz deren Funkeln so verstaubt, als wäre sie soeben von den Toten auferstanden. Doris Horn spielt diese schaurige Figur, die von einem harten Leben gezeichnet ist, voller Vorwürfe und unversöhnlich gegenüber ihrer Tochter Claudia.
Man wünscht Claudia und ihrer Mutter Lebenszeit, um ihre Beziehung zu klären. Aber die haben die beiden nicht, denn der Tod wartet ja schon wieder vor der Bühne, bereit für den letzten Tanz.
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Liebe Junia,
ganz herzlichen Dank, dass du deine Eindrücke von unserer Aufführung so anschaulich geschildert hast. Besonders berührt hat mich dein Kommentar zu Claudias Sprache. Den Text so auf der Bühne sprechen, als ob er gerade spontan einfällt – das war harte Arbeit und dass das geklappt hat, ist eine unglaubliche Anerkennung und Freude für mich. Die Überschrift “Totentanz” finde ich auch genial – das Spiel mit Wolfgang als tanzenden, spöttischen Tod hat mir sehr gefallen und vielleicht können wir das bei der zweiten Aufführung auch noch weiter ausbauen. Und die Szene mit Doris als so wunderbar gezeichneter Mutterfigur – all diese Klagen und Vorwürfe: wohl kein seltenes Thema zwischen Mutter und Tochter.
Ich habe mich auch gefreut, dass Rolfs Hintergrundbild auf der Bühne Aufmerksamkeit bekommen hat. Ja, es kann alles sein: dunkler Garten, Traumwelt, Schattenspiel …, was auch immer, das wird durch den Betrachter erst Wirklichkeit.
Insgesamt ein tiefgründiger Stoff in Hugo von Hofmannsthals Stück – es war eine großartige Herausforderung, das auf die Bühne zu bringen. Schön, dass es dich als Zuschauerin berührt hat.
Danke und herzliche Grüße
Sigrid