TheaterLabor TraumGesicht – Bühne Campus Golzheim, Gianni Sarto im Interview mit Junia Hergarten

Den Verein gibt es ja schon seit 1985. Welche wichtigen Stationen in der Geschichte des Vereins gibt es?

Monte Pecorone, Umbrien, Italien. Schöner Landsitz auf einem Hügel. Das war die Heimat des TheaterLabors von 1986 bis 1991

Monte Pecorone, Umbrien/Italien

Gegründet wurde er 1985 in meiner Heimatstadt München. Wolfgang und ich arbeiten seit 1979 zusammen und Anfang der 80er Jahre haben wir überlegt, Theater-Workshops in Italien zu geben. Suchten nach einer Art Institution, die unser Vorhaben in Deutschland zusammenhält. Und damit war der Verein geboren. Über unsere Tätigkeit auf Monte Pecorone in Umbrien hat sich in München eine erste Community entwickelt.

1991 haben wir Italien aufgegeben, weil die Kosten zu hoch wurden. Aber es war schwer, in Deutschland etwas Geeignetes zu finden. Und dann haben wir eine Tour durch Deutschland gemacht und sind mit Sack und Pack und vielen Autos losgepilgert, bis nach Bremen hinauf. Nach ein paar Wochen waren wir einfach überstrapaziert.
Es folgten Jahre im Ruhrgebiet an verschiedensten Orten, die alle spannend waren und ihren ganz eigenen Reiz hatten. Der nächste Schritt war 2010 dann Düsseldorf, wo wir im Theatermuseum sehr freundlich aufgenommen wurden. Und dann begann die Raumsuche. Wir fanden Unterkunft in einer ehemaligen Schule in Derendorf, aber die Bausubstanz war marode und wir mussten 2018 aus den Räumen raus. Und Mitte September sind uns zufällig diese Räumlichkeiten hier begegnet. Und innerhalb von drei Tagen hatten Marc Dauenhauer und ich zwei Besichtigungen. Am vierten Tag haben wir den Handschlag gegeben. Und im Oktober 2018 haben wir eröffnet.

Du hast es eben schon angedeutet: Was ist deine Kunstform neben dem Theater?

Gianni Sarto beim Entwerfen eines Kimonos in seinem Atelier.Ich bin „Textilmensch“ und dadurch, dass Wolfgang sich auch an der japanischen Zen-Meditation ausrichtet, habe ich angefangen mich für das japanische Gewand, den Kimono, zu interessieren und habe mich im Laufe der Zeit zu einem Spezialisten entwickelt. Ich würde fast sagen: Es gibt vermutlich niemanden in Deutschland, der professionell Kimonos für unsere europäischen Lifestile produziert wie ich.

Gerne entwickle ich und entwerfe diese Kimonos heute noch für einen kleinen Kundenkreis: Das ist textile Fertigung auf sehr hohem Niveau – Meine Kunst – Kleider und Gewänder entwerfen. In München habe ich an der Oper gearbeitet und habe dort natürlich das künstlerische Verschwenden gelernt, denn München ist sehr barock, die Oper hat einen unglaublichen Etat. Und etwas davon habe ich mir angewöhnt und für ein kleines Kammertheater wie wir es sind, das kleinste Düsseldorfs, haben wir einen großen Aufwand, was die Kostüme und Masken betrifft.

Hast du denn noch einen Bezug zur japanischen Kultur?

Es gibt viele Aspekte, die ich sehr schön finde. Ich war auch selbst zweimal dort. Aber sich als Nicht-Japaner in Japan wohlzufühlen, geht bis zu einem gewissen Maße und dann muss man sich einfach komplett integrieren. Und das ist nicht so ganz meine Welt. Aber ich habe immer noch Kontakt nach Japan. Vor allem die handwerklichen Raffinessen, die in Japan einen hohen Stellenwert haben, schätze ich sehr und natürlich die außergewöhnliche Art zu Essen.

Du hast eben vom kleinen Kammertheater in Düsseldorf gesprochen. Wie ist sie denn so, die Theaterwelt in Düsseldorf?

Die Theaterwelt ist Düsseldorf ist aufgegliedert in drei Bereiche. Städtische Theater: Schauspielhaus, Junges Schauspiel …, Privattheater: Komödchen, Komödie, hier ist ein Kimono von mir in der Inszenierung: “Rache ist süß” zu sehen, Theater an der Kö, Flin, Theater Luagallee, Theater Kantine … Dann gibt es noch die Freie Szene, zu der wir auch gehören. Ich finde für Theater gibt es zu wenig Spielräume in Düsseldorf. Wenn man sich mal umguckt, wo ein freies Theater in Düsseldorf auftreten kann, dann gibt es einfach zuwenige Spielorte.
Wir sind nun mit unser Bühne Campus Golzheim, klein, aber gut ausgestattet, als neuer Spielort dazu gekommen.

Deshalb bin ich sehr froh, dass es die erste Lange Nacht der Theater in Düsseldorf gibt. Das ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung zur Vernetzung der Theater hier vor Ort.

Was liegt dir denn an deiner aktuellen Tätigkeit besonders am Herzen?

Am meisten am Herzen liegt mir das Gelingen des Werkes. Wir haben uns jetzt für dieses Jahr für „der Tor und der Tod“ von Hofmannsthal entschieden. Das Gelingen dieses Projekts liegt mir am Herzen. Da gehört alles dazu. Schon jetzt habe ich Ideen für ein bestimmtes Kostümbild. Das beziehe ich aus Versuchen und Proben. Das sollte wenig mit Alltäglichem zu tun haben. Zum Kostümbild gehört auch das Maskenbild. Da ist gerade so eine Art Suchvorgang in mir unterwegs. Hinzu kommen noch all die wichtigen Arbeiten, die hinter der Bühne vonstatten gehen und die alle ineinandergreifen und letztlich dazu führen, dass es gelingt. Der Entwicklungsprozess eines Projektes ist vielschichtig und diese Vielschichtigkeit läuft über meinen Schreibtisch.

Man kann viel zu eurer Methode des Slow Acting nachlesen. Aber was sagst du persönlich: Was ist das Besondere daran?

Für mich ist das Besondere, dass die Schauspieler auf der Bühne sehr bewusst miteinander umgehen. Das ist eine Kultur oder eine Haltung, die in der heutigen Zeit in den Hintergrund gerückt sind. Beim Slow Acting gibt es vier Schwerpunkte: Zuhören, bewerten, verarbeiten, reagieren. Und diese Momente sind zeitlich gedehnt. Slow Acting ist ein spannender Prozess, bei dem die Zuschauer beobachten können, wie die Figuren auf der Bühne aufeinander reagieren.

Was unsere Bühne auszeichnet, ist die verlangsamte Spielweise und die Stopps – teilweise „frieren“ die Menschen auf der Bühne dreißig Sekunden ein. Und die Zuschauer sagen uns, dass das die Momente sind, in denen sie mit ihrer Reflexion nachkommen und nicht gleich mit den nächsten Impulsen konfrontiert werden. Das wissen wir so genau, weil wir die Fragebögen haben: Die Zuschauer gehen nach dem Applaus nicht sofort, sondern die meisten bleiben sitzen und schreiben ganz konzentriert und jeder verlässt den Theaterraum ganz leise und geht dann ins Casino oder nach Hause. Das ist eine ganz besondere Atmosphäre!

Gianni Sarto steht vor einer gestreiften Wand und erzählt einem Publikum über seine Arbeit.

Wir arbeiten auch mit dem Begriff „Punkt der Konzentration“. Das können unterschiedliche Stilmittel sein, zum Beispiel ein Requisit. Das kann aber auch ein Berührungskontakt mit den Ohren sein oder ähnliches. So kann der Schauspieler in einer Szene unentwegt mit diesem Punkt der Wahrnehmung umgehen. Wir versuchen, mit dieser Art zu spielen, dem Zuschauer eine Leinwand zu bieten, auf der wir einen Entwurf zeigen. Diesen kann der Zuschauer sich angucken und ihn gut finden und wenn er Spaß daran hat, kann er sich diesen Entwurf ausmalen. Ein Beispiel: Wir werden nie etwas Grauenhaftes zeigen, damit sich ein Zuschauer erschreckt. Wir spielen und zeigen es so, dass das Grauenhafte beim Zuschauer entsteht, durch dessen Phantasie.

Habt ihr eine Intention in Bezug auf den Zuschauer oder ist eure Darstellung quasi absichtslos?

Nein, das nicht. Unsere Intention ist es, den Zuschauer mit unserer leeren Bühne einzuladen das Nichtvorhandene durch eigene Imagination zu vervollständigen. Aber wir werden ihn nie in eine Peinlichkeit bringen und ihn lenken oder auf die Bühne zerren oder so etwas. Das kann ich beim Schauspiel auch grundsätzlich nicht leiden.

Was macht es mit den Menschen, in dieser Art und Weise Theater zu spielen?

Auf der einen Seite macht es Spaß. Auf der anderen Seite lernt man einen guten Sockel, den Teil eines Handwerks. Und somit trägt es zu einer Art Persönlichkeitsentwicklung bei. Manche arbeiten an ihrem Lampenfieber, andere an ihrer Verständlichkeit, ihrer Bewegung, ihrer Atmung. Für jeden ist etwas anderes wichtig.

Die Fragen stellte Junia Hergarten