Als Gianni mir eröffnete, dass ich eventuell als neuer Regieassistent in Frage komme, fühlte ich mich geehrt und beschämt zugleich. Nach so kurzer Zeit schon so viel Vertrauen und ich direkt mittendrin! Denn eines ist mal klar: das Eindringen eines Außenstehenden in die Arbeit eines bestehenden Ensembles, dass alle Höhen und Tiefen eines Theaterprojekts bereits mitgemacht hat, ist ein sensibler und feinfühliger Akt, der nicht ohne Folgen bleibt – für die Darsteller und für mich. Folgenreich war dann auch dieser erste Freitag, an dem ich die Schauspieler und den Regisseur kennenlernte.
Der Pavillon.
Doch zuerst ein paar Worte zu der Örtlichkeit: Geprobt und aufgeführt wird in einem sogenannten Pavillon, der abseits der Hauptstraße etwas versteckt an der Lacombletstraße in Düsseldorf liegt. Von außen ein eher schlichter Bau, ebenerdig und in Nichts daran erinnernd, dass hier Theater gespielt wird. Vor dem Gebäude mit großen, gesprungenen Blumentöpfen versehen, eine kleine Rasenfläche und daneben ein Parkplatz. Bei meiner Ankunft versorgte Meister Keuter die Blumen höchstpersönlich.
Den Meister kennenlernen.
Danach lernte ich Herrn Keuter richtig kennen und nach einem sehr festen Händedruck bemerkte ich gleich, dass meine Angst vor der Gestalt völlig unbegründet war. Ein warmherziger Mann führte mich durch die Räume und zeigte mir direkt das Herzstück der gesamten Einrichtung: den Bühnenraum. Ich war verdutzt, nein regelrecht überrascht als ich dort eintrat. Es erwartete mich ein fast völlig schwarzer Raum, etwa 70qm groß, mit Bühne, zwei bis drei Stuhlreihen davor und einem kleinen Lichtpult nebst Beleuchtung. Mir kam spontan in den Sinn, dass es sich bei den ganzen kahlen Flächen um Leinwände handeln muss. Leinwände, die nicht wie sonst weiß, sondern eben schwarz sind. Eine ideale Atmosphäre.
Es wird getafelt.
Der andere Raum, der Übungsraum, füllte sich langsam mit Schauspielern. Jeder brachte eine Kleinigkeit zu essen mit und an einem großen Tisch wurde dann zusammen getafelt. Eine lockere, herzliche Atmosphäre umgab mich und ich fühlte mich bei all den Themen, die sich meistens rund um das vergangene Stück „Leonce und Lena“ drehten, deplatziert. Was sollte ich schon zu dem Ganzen beitragen? Wo ich doch weder Schauspieler noch Stück kannte. Wie sich herausstellte war meine Angst jedoch völlig unbegründet.
Die Steinrunde.
Nachdem ordentlich “gespachtelt” wurde, reichte Gianni einen glatten Stein herum, wo jeder, der den Stein in den Händen hielt die Möglichkeit hatte seinen Gedanken freien Lauf zu lassen. Erst wenn man den Stein, der eine angenehm glatte Oberfläche hatte, weitergab, durfte der Nächste sprechen. Eine gute Möglichkeit um auch wirklich jedem Teilnehmer an dieser Runde die Möglichkeit zu geben zu erzählen, was in ihm vorgeht. Natürlich kamen ein paar private Gedanken zum Vorschein, über das Stück, neue Spielangebote in einer entfernten Stadt, dem aktuellen Gemütszustand und und und…
Am Anfang war ich schüchtern.
Der Stein ging an den ersten Runden natürlich an mir vorbei, obwohl ich durchaus auch ein paar Gedanken hatte die raus wollten. Erst nach zwei Runden gab Wolfgang den Stein direkt an mich und ich konnte loslegen. Endlich konnte ich meine Freude darüber, in welch vertrauensvoller Atmosphäre ich aufgenommen wurde Ausdruck verleihen.
Eine Verbeugung zum Schluss.
Zum Schluss haben wir gemeinsam aufgeräumt und gespült. Ein Schlussritual beendet unser Treffen, aus dem ganz beschwingt nach Hause fuhr. Wir stellten uns in einem Kreis auf und verbeugten uns voreinander.
Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit diesen tollen Menschen!