Danke, liebe Sigrid, dass du es für einige Traumlaboranten ermöglicht hast, einen außergewöhnlich Hamlet zu besuchen.

Ja, es war für mich sehr außergewöhnlich, gewöhnungsbedürftig. Ich kann mich noch nicht so ganz anfreunden, dass wunderbare alte Werke ins Moderne übersetzt werden. Deshalb war ich erst einmal schockiert, dass dort verschiedene Musikgeräte auf der Bühne standen, die eigentlich einer Rockband würdig sind.

Doch dieses Bühnenbild hat mich irgendwie verzaubert. Ungewöhnlich, eine Wand, bestehend aus zwei Etagen. Es kam mir vor, wie die Galerie eines Opernhauses. Dort wo die hohen Herrschaften in ihren abgeschlossenen kleinen Räumen sitzen und dem Geschehen auf der Bühne zuschauen. Und so war es ja auch ein wenig. In der 1. Etage drei Galeriefenster. Links und rechts mit zwei Stühlen, in der Mitte die Galerie mit einem kleinen Tisch, rechts und links je ein Stuhl. Bequeme Stühle mit Samt überzogen und Armlehnen. Die Galeriefenster waren mit einer Querstange gesichert.

In Parterre links und rechts ein Fenster, dass mit Vorhängen versehen war. In der Mitte die große Eingangstür.

Links steht Ophelia in einem wunderschönen blauen Samtkleid, Polonius saß hinter ihr. Im rechten Fenster sah man Schauspieler, die Hamlet eingeladen hatte. In der Mitte der Galerie saß Königin Gertrude und König Claudius.

Die Musik beginnt. Laut, sehr laut. Bin ich in einem Rockkonzert? Für meine Ohren war die Musik zu laut. Doch die Dramatik kam dadurch sehr heraus. Ich spürte, wie es mich dramatisierte. Es war Wahnsinn. Und dann, nach vielen verschiedenen Musikstücken, Hamlet sang, die Lautstärke seiner Stimme war schlimm. Für mich. Es zerrt an den Nerven. Doch ich denke, es soll so sein.

Ich höre eine Frauenstimme, kann sie irgendwie nicht zu orten. Wo kommt sie her? Suche verzweifelt die Richtung. Glaubte, es kommt eine Stimme nur aus dem Off. Doch dann entdecke ich die bewegenden Lippen von Königin Gertrude. Sie ist nun in der rechten Galerie, mit den beiden Schauspielern und König Claudius. Ich hab das Gefühl, es ist eine heiße Debatte.

Nun höre ich, wie Polonius mit seiner Tochter Ophelia redet. Er verbietet ihr den Umgang mit Hamlet. Er würde sie nur ausnutzen.

Die Musiker verlassen langsam die Bühne.

Hamlet mittlerweile sieht den Geist seines Vaters. Er ist aufgewühlt. Es ist so ergreifend, so dramatisch. Was sagt der Geist zu ihm? Hamlet, räche meinen Tod, ich bin ermordet worden. Und Hamlet ist entsetzt. Er schreit seine Wut in die Welt hinaus.

Ich kann nun gar nicht mehr alles wiedergeben. Zehre immer noch an dem für mich vollkommen fremden Hamlet.

Doch dann kommt die Szene, Ach schmölze doch dies allzu feste Fleisch… Belgin und ich freuen uns. Wir kennen es, haben es doch wochenlang durch genommen, gelernt. Es erinnert mich an Witali, der es damals so schön gespielt hat.

Die nächste Erinnerung kommt. Die verschiedenen Blumen, die Ophelia verteilt. Verzweifelt über den Tod ihres Vaters. Diese Ophelia, die ich damals im Unterricht spielte. Den Text mit den Blumen, den ich sehr liebte.

Die Grabesszene, die ich mit Cordula bis zum geht nicht mehr gespielt habe. Ja, es ist schön, wenn die Erinnerung an den Unterricht kommt. Belgin und ich, wir waren glücklich. Weil wir es kannten.

Es wird für mich ein unvergessener Abend bleiben. Vor allem war es mir nach der Pause wohler, die sehr laute Musik war nicht mehr da. Doch die Dramatik blieb. Bis zum Schluss.

Wunderbar fand ich es, dass die Schauspieler das Publikum mit einbezogen. Hamlet lief einmal mitten durchs Publikum. Schwang sich von Stuhl zu Stuhl, immer ein Stück weiter nach oben. Und schrie seine Verzweiflung heraus.

Auch die Projektionen der Schauspieler an die Spielwand. Diese war etwas nach hinten geschoben worden. Um die Szenen dann auch hinter der Bühne verfolgen zu können, wurden die Schauspieler auf die Spielwand projektiert. Sie waren so übergroß. Toll.

Ebenso, als Hamlet König Claudius entlarven wollte mit seinem Theaterspiel. Als Mörder seines Vaters. Volle Großaufnahme, wie reagiert er auf die Worte, die ihn treffen sollen. Und er hat reagiert. Er wusste nun, dass Hamlet ihn entlarvt hat.

Die Schauspieler alle waren für mich hervorragend. Ophelia, wie sie verrückt wurde und sich die Kleider vom Leibe riss. Dann das Publikum anmachte,gebt mir meine Briefe zurück, ich will meine  Briefe zurück. Die Briefe, die Hamlet zuvor in lauter Wut ins Publikum warf. Das war schon toll. Die Türen der Zuschauerränge wurden voll ins Spiel miteinbezogen. Die Schauspieler spielten auf und neben der Bühne. Über und unter der Bühne.

Zum Schluss Hamlet, das war der absolute Hammer. Wie grandios hat er doch die Todesszene gespielt. Vier Personen in einem. Was für ein Spieler. Er spielte Hamlet, Laertes, König Claudius und Königin Petra. Ich konnte es nicht fassen. Und immer wieder in einer anderen Stimme. Toll. Er sprang hin und her. Setzte sich auf Königin Gertrudes Stuhl, auf den Stuhl von König Claudius. Spielte sie alle. Wie das Gift langsam wirkte und sie starben.

Das Publikum jubelte, der Beifall wollte nicht aufhören.

Ich bin begeistert. Auch wenn ich anfangs sagte, dass ich nicht so für moderne Fassungen alter Werke bin. Aber ich finde, es ist bestens umgesetzt worden.

Und dann kam der Schreck. Kosta wurde auf einmal kreidebleich. Das Wasser lief ihm das Gesicht hinunter. Wir beide schnell raus. Hamlet war zu Ende. Wir haben nichts versäumt. Kosta setzte sich im Foyer hin und tupfte sich das Wasser aus dem Gesicht. Ich machte mir Sorgen. Doch zum Glück war es nur der Kreislauf. Er hat sich beengt gefühlt in den Sitzreihen.

Und zum absoluten Knüller des Abends unsere versuchte Rausfahrt aus dem Parkhaus. Wir kamen nicht raus. Das Tor war kaputt und wir mussten warten. Doch endlich nach 20 Minuten konnten wir in die Freiheit.

Das war ein schöner Abend und wir sollten so etwas wiederholen. Es hat mir gutgetan.

Herzlichst

Gabriela