Premiere „Tor und Tod“ mit Filmaufnahme statt Publikum

Sigrid Orentat wird in der Maske von Gianni Sarto geschminkt.Unsere Premieren-Aufführung fand am Samstag, leider immer noch ohne Publikum, aber vor Kameras statt. Gianni filmte sehr professionell mit zwei stehenden Kameras und einer beweglichen. Durch Sebastian bekam er professionelle Unterstützung bei der Aufnahmetechnik, und Antje meisterte im Technikraum erfolgreich die Lichtregie. Was für ein langer Weg mit diesem Stück liegt hinter uns. Mehr als ein Jahr lang Proben, unterbrochen vom Shutdown. Im Sommer 2020 dann die erste Aufführung und im Dezember der erste Film.

Eine Figur kam hinzu

Obwohl die Pandemie ganz besondere Abstands- und Hygienemaßnahmen erforderte, welche wir in auf unserer Bühne Campus Golzheim mit Luftfilteranlage ja gut einhalten können, haben wir dann weiter fleißig geprobt. Hofmannthals „Tor und Tor“ hat uns nicht losgelassen. Unser Ensemble hat sich mit Martin vergrößert und bereichert. Eine Figur kam durch ihn hinzu, und das Stück wurde dadurch tiefer und facettenreicher. Meine Figur der Claudia machte einiges an Wandlungen durch. Aus einer älteren Schauspieldiva, die ihren guten Jahren nachtrauerte, wurde jetzt eine etwas verbitterte, nachdenkliche, elegante, zurückgezogen lebende Frau.

Doris Horn wird von Gianni Sarto geschminkt. sie trägt bereits eine Perrücke.Der von Wolfgang ausdrucksstark verkörperte Tod drückt neben aller Unerbittlichkeit auch Mitgefühl für Claudia aus. Doris als Mutter, eine „Grande Dame“, die mit Sprachgewalt und Gestik ihre ambivalente Beziehung zu Mutterschaft und Tochter zeigt.

Gefühlskälte und Ignoranz

Und dann die wichtigste Veränderung: die von Martin verkörperte Figur des „Freundes“ taucht mit gleitenden, ausdrucksstarken Bewegungen und Gebärden als zweite bedeutsame Figur aus Claudias Vergangenheit auf. Er gibt durch seine Geschichte Einblick in eine Facette Claudias Persönlichkeit, die durch Gefühlskälte und Ignoranz gekennzeichnet ist. Und Claudia reagiert nonverbal und verbal mit nach innen gesprochenen Worten auf einer Palette von abschätzig, abwehrend bis betroffen

„wohl keinem hab´ich etwas bedeutet …”

Immer noch gehen mir die Gefühle, Bilder und Worte meiner Figur „Claudia“ durch den Sinn, bin ich bewegt von der tollen Gemeinschaft und Stimmung in unserem vergrößerten Ensemble.

Ein Schauspieler steht im Kostüm, dunkler Anzug und Hut, vor einem blauen Kimono.Du musst jedes Wort schmecken

Ich empfand die erneute Probenzeit in diesem Jahr wie ein Geschenk. Ermöglichte sie doch trotz der Kontaktbeschränkungen durch die Pandemie die Erfahrung von Zusammenhalt und Zusammenarbeit auf ein gemeinsames Ziel hin. Trotz Vorsicht und Abstand konnte ich das Thema Corona während der Proben völlig vergessen und mich ganz auf den Prozess des Einlassens und Gestaltens meiner Figur konzentrieren. Das miteinander Üben und Proben habe ich sehr genossen. Allein das immer wieder Eintauchen in Hofmannsthals wunderbare bilderreiche Sprache war Herausforderung und Freude zugleich.

„Du musst jedes Wort schmecken, den Sinn verstehen und in eine Sprachmelodie finden!“, so hörte ich immer wieder Wolfgangs Aufforderung. Unzählige Male habe ich laut und leise den Text gesprochen, bis ich ihn mir endlich zu eigen machen konnte. Mit Wolfgangs unermüdlicher und einfühlsamer Unterstützung lernte ich mehr und mehr vom Zeigen einer Figur mit Stimme, Mimik, Gebärden und Körperlichkeit. Ich merkte auch, wie die Interaktion mit einer anderen Figur auf der Bühne die eigene Figur lebendig werden lässt. Habe mich darauf konzentriert, ihr aufmerksam zuzuhören, statt auf das Stichwort zu warten. Versuchte mir Zeit zu lassen, um meine innere Reaktion wahrzunehmen und zu zeigen.

Dem Tod die Bedrohlichkeit genommen

Nach Aufforderung durch den Tod auf dem Stuhl sitzend und schauend, blieb Claudia gegen Ende vor allem das Zeigen einer mimischen Reaktion. Als Sigrid bin ich hierdurch ganz sensibel für meine Mimik geworden, kann und mag mein Gesicht sprechen lassen. Und auch die Körperwahrnehmung ist durch die intensiven Übungen im Schauspieltraining differenzierter geworden. Was für eine Bereicherung!

Wolfgang Keuter wird in der Maske von Gianni Sarto für die Figur des Todes geschminkt.Und noch ein Gedanke: das Stück thematisiert den Tod und nimmt ihm aber – so empfinde ich es – seine Bedrohlichkeit. Natürlich ist der Inhalt, nämlich das Gewahrwerden des nahenden Todes und das Erkennen des versäumten Lebens, ein schweres und potenziell belastendes Thema für uns Menschen. Gerade in Pandemiezeiten begegnet er uns in den Krankheitsgeschichten und Bildern von den Intensivstationen, und wir müssen mit einer unsichtbaren diffusen Bedrohung leben, die sich nur schwer leugnen lässt. Warum also auch noch dieses Thema im Stück aufgreifen?

Klare Antwort: Wir brauchen die Akzeptanz des Todes, weil er uns erinnert, das Leben zu spüren und zu nutzen! Und uns ermahnt, gut und mitfühlend mit uns und unseren Mitmenschen umzugehen.

Die Aussage des Stücks ist für mich die Aufforderung: Carpe diem!

Warten auf den Schnitt

Ich möchte nicht wie Claudia einem versäumten Leben nachtrauern. Auch und gerade im Älterwerden möchte ich das Leben intensiv spüren, nutzen, mich lebendig fühlen. Achtsamkeit, bewusstes Erleben und das Erweitern der eigenen Möglichkeiten, also alles was Slow Acting lehrt, hilft mir dabei.

Ich bin dankbar und froh, ein Teil dieses wunderbaren Ensembles zu sein, fiebere dem Film entgegen, der im Moment von Gianni kunstvoll geschnitten wird und freue mich auf weitere Schauspielprojekte.

Ich möchte mit meinem Blog Eure Neugier auf den neuen Film wecken, der sicher demnächst online sein wird.