Die Spielerin Sigrid schaut inersssiert auf die schwarze Probebühne.

Sigrid Loose – Abendroth ist 65 Jahre alt und kommt gebürtig aus der Lüneburger Heide. 1980 zog sie für ihr Psychologiestudium nach Düsseldorf. Sie ist psychologische Psychotherapeutin und hat eine kleine Praxis in Benrath.

Kira: Wie bist du zum TheaterLabor gekommen und hast du vorher schon Erfahrungen gesammelt?

Sigrid: Mein Interesse, Theater- oder Schauspielunterricht zu nehmen, war schon lange vorhanden. Ich bin schon immer gerne ins Theater gegangen und hatte den Wunsch auch selbst einmal auf der Bühne stehen zu können und zu erleben, wie es gelingt, sich in eine Figur zu verwandeln. Außerdem habe ich mir gewünscht, ein kreatives Betätigungsfeld zu haben, wenn ich einmal weniger arbeite und auch irgendwann in Rente gehe. Dann habe ich vor ca. 10 Jahren zunächst durch Zufall von der Theaterwerkstatt des Schauspielhauses gehört, eine Veranstaltung der dortigen Theaterpädagogin für alle Schauspiel interessierten. Dort haben wir einmal im Monat kleine Szenen, im Zusammenhang mit aktuellen Stücken des Schauspielhauses, erarbeitet.

Dazu gehörten auch schon Aufwärmübungen und Sprechübungen, ähnlich – aber längst nicht so gründlich – wie wir sie hier im TheaterLabor machen. Nachdem dieses Format dann aufgelöst wurde, habe ich einige Schauspiel-Seminare und Workshops besucht, die über ganz Deutschland verteilt stattgefunden haben.  Danach war ich Feuer und Flamme, wollte mir aber etwas suchen, was mir ermöglicht auf einer regelmäßigen Basis Unterricht zu nehmen. So bin ich dann vor ca. 4 Jahren auf das TheaterLabor gestoßen.

Kira: Was hat dich an dem TheaterLabor besonders angesprochen?

Sigrid: Die Möglichkeit eines regelmäßigen Schauspieltrainings, sowie die besondere Art des Unterrichts. Die Gründlichkeit des Trainings von Sprache und Ausdruck, sowie die Ruhe und die Langsamkeit des Slow Acting und die unglaublich kreative und professionelle Atmosphäre. Der Unterricht ist nie derselbe, wir probieren und lernen immer neue Möglichkeiten des körperlichen und sprachlichen Ausdrucks. Auf der Bühne proben wir kleine Zug um Zug Szenen. Erarbeiten Szenen aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Es ist herausfordernd und spannend zugleich.

Kira: Welche Form des Unterrichts besuchts du im TheaterLabor?

Sigrid: Ich nehme am wöchentlichen Schauspiel-Studium montags teil.

Kira: Sind in das Studium auch Auftritte involviert, auf die ihr hinarbeitet?

Sigrid: Ich habe an zwei Aufführungen mitgewirkt. Aber jedem steht es frei daran teilzunehmen. Die Ensemblearbeit ist intensiver, sie hat eine Aufführung als Ziel und kostet natürlich Zeit.

Kira: An welchen Stücken hast du mitgewirkt? Und welche Rollen wurden dir zugeteilt?

Auf der Probebühne sitzt ein Mann im blauen asiatischen Hemd an einem Tisch. Er hat eine silberne Maske auf und betrachtet sein Spiegelbild in der Klinge eines Messers. Hinter ihm steht eine Frau, in weißer Arztkleidung, und versucht die gleichen Blick staunend zu erhaschen.

Sigrid: Ich habe In dem Stücken „Kaspar“ (Foto oben) mitgewirkt und eine von Tics belastete Hofdame bei „Leonce und Lena“ (Fotos unten) gespielt. Was für mich persönlich eine Herausforderung dargestellt hat.

Dame mit einer Art Kardinalsmütze schaut in Richtung Publikum.  Dame mit einer Art Kardinalsmütze schaut in Richtung Publikum.

Kira: Inwiefern eine Herausforderung?

Sigrid: Sich die Tics zu verinnerlichen und den Mut aufzubringen sie umzusetzen. In meinem Fall musste ich mit dem Kiefer wackeln und hatte zudem ein hinkendes Bein. Das sind Elemente der Verfremdung oder Charakterisierung einer Bühnenfigur. Hierfür werden Gebärden und körperliche Verfremdungen eingesetzt. Aber im Studium haben wir diese Stilmittel schon geprobt und verinnerlicht.

Kira: Ziehst du mehr Input aus solchen Erfahrungen oder dem Studium? Und wo liegen die Unterschiede?

Sigrid: In der Ensemblearbeit hat man das Ziel der Aufführung vor Augen, auf welche hingearbeitet wird und das ist natürlich ein intensiverer und fokussierter Prozess. Ich gehe damit auch eine größere Verbindlichkeit ein als im Studium. Doch gerade dies bietet gleichzeitig eine noch größere Lern- und Entwicklungsmöglichkeit und schafft einen guten vertrauensvollen Zusammenhalt im Ensemble. So habe ich es erlebt. Trotzdem möchte ich das Schauspiel-Studium nicht missen. Es ist Voraussetzung und Grundlage für die Arbeit an einem Stück. Es ermöglicht einem den Erwerb des nötigen Rüstzeugs für die spätere Arbeit auf der Bühne und ist immer wieder eine begleitende Hilfe und Stütze.

Kira: Du sprichst von Intensiver Arbeit. Ich kann mir vorstellen, dass besonders die Textmengen und das Auswendiglernen gewisse Herausforderungen darstellen kann? Hast du für dich besondere Vorgehensweisen erarbeitet?

Sigrid: Natürlich. Text lernen ist schwierig. Die Übung und Wiederholung ist hier der Schlüssel zum Erfolg. Ich habe für mich gemerkt, dass es mir einfacher fällt, beim Laufen zu lernen oder in Ruhepausen und vor dem Schlafen gehen, die Texte erneut innerlich durchzugehen. Und natürlich hatte ich auch schon Texthänger oder habe etwas vergessen, aber da wir auch kreativ werden dürfen und eigene Worte einfließen lassen können, also extemporieren, nimmt es den Druck und das ist eine enorme Hilfe in solchen Momenten.

Kira: Passend zum Thema Texthängern und Erlebnissen auf der Bühne. Gibt es für dich eine besonders schlechte oder schöne Erfahrung?

Schauspieler erhalten Apllaus und viele Blumen.

Sigrid: Besonders schön oder berührend in Erinnerung ist mir die Aufführung von Leonce und Lena geblieben. Es war ein paar Tage nach meinem Geburtstag und ich wurde nach der Aufführung mit Blumen überhäuft. Ein sehr herzerwärmender Moment. Auch die Momente vor und während der Aufführung, wenn man zusammen fiebert und merkt, dass sich die harte Arbeit gelohnt hat, die Abläufe ineinandergreifen und alles gelingt. Nicht nur bei mir selbst, sondern auch bei meinen Mitspieler/innen und dann natürlich der Applaus am Ende. Aber nicht nur die Aufführungen selbst ist immer besonders bewegend und ein großartiges Erlebnis. Ich schätze auch die Möglichkeiten mit selbst ausgesuchten und bearbeiteten Texten kreativ werden zu können. Gianni und Wolfgang sind da sehr offen. Man trifft auf Wertschätzung und die Möglichkeit sich weiterzuentwickeln.

K: Kommen wir noch einmal auf das Studium bei Wolfgang zurück. Kannst du uns eine solche Stunde kurz skizzieren.

Sigrid: Die Stunden beginnen mit einer Anfangsrunde, in der jeder seine Wünsche äußern kann, was heute gemacht werde soll und was vom letzten Mal noch in Erinnerung geblieben ist. Danach folgen meistens Übungen mit Stimme, Atmung und Sprache. Das Vokaltönen, bestimmte Lautübungen, wie zum Beispiel Zischlaute oder Schlusslaute. Dann gibt es Bewegungsübungen, wie z.B. Gelenktanz und Übungen des Körperausdrucks mit Gebärden und bestimmten langsamen Bewegungsabläufen, welche den nonverbalen Ausdruck trainieren. Es gilt, etwas mit dem ganzen Körper zum Ausdruck zu bringen, zunächst ohne die Stimme zu benutzen, dann auch mit Phantasiesprache oder später einem Rollentext. Schließlich werden auf der Bühne bestimmte Szenen improvisiert und mit den Stilmitteln oder auch mit dem Einsatz von Requisiten erarbeitet. Jedem Spieler wird ein ausführliches Feedback gegeben. In der Abschlussrunde kann jeder Teilnehmer noch einmal zum Ausdruck bringen, was und wer heute besonders beeindruckt hat.

Sigrid Abendroth als "Claudia", eine alternde Diva. sie schaut freudig ins Scheinwerferlicht. Großes Bühnenmakeup, lange Wimpern und eine silbergraue Perücke

Kira: Ziehst du aus diesen Übungen und dem Studium einen persönlichen Mehrwert, den du auch im Alltag umsetzten und anwenden kannst?

Sigrid: Sicherlich. Besonders im Arbeitskontext- aber nicht nur dort – hat es mir geholfen langsamer zu werden und mehr Ruhe walten zu lassen. Ich induziere in der psychotherapeutischen Arbeit sowieso schon viel Entspannung, mache Körperarbeit und arbeite mit Vorstellungsübungen. Jetzt nutze noch mehr die Möglichkeit des stimmlichen Ausdrucks, der Imagination, um eine bestimme Stimmung oder Ruhe bei meinen Patienten zu bewirken.
Im Allgemeinen hat mich das Schauspielstudium mehr geerdet und sicherer gemacht im Umgang mit anderen Menschen. Er stellt gleichzeitig einen Ausgleich zum Alltag für mich dar. Ich kann hier auch einmal die Kontrolle abgeben, andere Seiten von mir zeigen.
Außerdem bekomme ich ganz viel durch die einfühlsame aber auch fordernde Art von Wolfgangs Studium und Giannis Feedback. Ich lerne mich einzulassen, anzuvertrauen
und kann meine Rolle als sorgende/kümmernde Person mal loslassen, d.h. meine Alltagsmuster hinter mir lassen. Schauspiel gibt mir ein starkes Gefühl von Lebendigkeit.
Das schätze ich ganz besonders.

Kira: Mit welchen drei Wörtern würdest du deine Leidenschaft fürs Theater beschreiben?

Sigrid: Lebendigkeit, Inspiration und Neugier auf neue Erfahrungen.

Kira Krause im Gespräch

Kira Krause beim Interview