Einblick in die aktuelle Probenarbeit: Leonce und Lena am 30.12.17
Was für ein Spiel, was für Schauspieler! Wunderbar!
Ich bin so froh, dass mein Husten soweit abgeklungen ist, dass ich dieser grandiosen Aufführung beiwohnen konnte. Ich bin erstaunt, ja erfreut, was Wolfgang aus diesen drei Schauspielschülerinnen Belgin, Doris, Sigrid und einem Schauspielschüler Peter herausgezaubert hat, herausgeholt hat aus der Tiefe der Körper.
Nun denn, nach dem alle Zuschauer saßen, erklang eine wunderbar beruhigende Musik. Die Spannung steigt. Wann geht es los? Doch immer noch Stille. Nur Musik. Einige Zuschauer unterhalten sich noch. Sie sind neugierig. Wollen wissen, wann es losgeht?
Doch dann, der Scheinwerfer geht Richtung Tür. Peter erscheint. Nein es ist nicht Peter. Er verwandelt sich auf dem Bühnensteg. In schwarzer Hose, schwarzem Hemd, schwarzen Lackschuhen, die sehr laut aufstampfen. Peter verwandelt sich in den Müßiggänger Leonce. Starr ist sein Blick. Voller Melancholie. Blaugeschminkt die Lippen. Blaugeschminkt die Lider. Und auf der schwarzhaarigen Perücke trägt er einen goldenen Lorbeerkranz. Der Blick immer noch starr. Leonce stampft auf. Sehr laut. Die Spannung steigt. Er hat ein dickes langes Seil mit dem Hängeknoten um den Hals gelegt. Will er sich umbringen? Leonce betritt die Bühne. Das Seil um den Hals hinter sich herziehend. In der Hand ein kleines schwarzes Höckerchen. Was hat er vor damit? Oh, ich bin neugierig. Was geschieht jetzt? Leonce schreitet, immer wieder laut aufstampfend, im Quadrat durch den Bühnenraum. Sein Körper wirft Schatten auf die schwarze Wand. Und er geht, im Quadrat. Immer wieder, immer weiter. Dann ein schweres Atmen. Es wird schwerer. Ich werde unruhig. Wann ist das Laufen vorüber? Ich halt es nicht mehr aus. Bin doch immer eine der Schnellen. Oje, die Spannung wächst. Und dann. Endlich. Er bleibt stehen. Atmet schwer. Steht mitten im Raum. Immer noch das Höckerchen in der Hand. Und steht einfach so da. Sein Blick starr nach vorne gerichtet. Er nimmt das Seil. Löst den Knoten. Langsam, ganz langsam. Die Öffnung ist nun soweit, dass er das Seil abstreifen kann. Doch was macht er jetzt? Er nimmt das Seil. Zieht es mit beiden Händen auseinander. Das Höckerchen hat Leonce mittlerweile abgestellt. Leonce spielt mit dem Seil. Er springt Seilchen. Wie in Kindertagen. Das große lange Seil als Sprungseil. Toll. Das Seil fällt. Auf den Boden. Leonce geht hinunter. Spielt mit dem Seil. Macht eine wunderbare Wellenlinie aus dem Seil. Und freut sich darüber. Das ist so schön anzusehen. Leonce ist erstaunt, was er mit dem Seil machen kann. Nach einiger Zeit dieser Seilspielerei legt er das Seil zu einem Kreis zusammen. Und immer noch kein Wort gesprochen. Ab und zu schwere Atemgeräusche. Das Höckerchen inmitten des Kreises. Leonce geht zu Boden. Setzt sich im Reitersitz auf das Höckerchen. Und wartet ab. Mit dem Spiel seiner Hände. Eine Hand hoch, die andere Hand runter. Mal rechts, mal links. Mal die Handfläche nach vorne, mal nach hinten. Und er spielt mit den Händen.
Ein neues Spiel. Der Scheinwerfer geht Richtung Tür. Sigrid erscheint. Ist es Sigrid? Ich kann es nicht glauben. Sie betritt den Bühnensteg. Drei schwere dicke Bücher im Arm. Ein langes dunkelgrünes Kleid. Eine Haube auf dem Kopf, die aussieht wie eine Bischofsmütze. Die Lippen knallrot geschminkt. Schwarze Spitzenhandschuhe an. Schwarze Absatzschuhe. Rotgeschminkte Lider. Sigrid verwandelt sich auf dem Bühnensteg zu Magda, die Kammerzofe. Und hat einen kleinen Tic. Ihre Mundwinkel gehen mal hoch mal runter, mal nach rechts, mal nach links. Eine schwierige Aufgabe. Und sicher anstrengend. Diese Mimik mit dem Tic zu halten. Toll. Magda liest in den Büchern. Schaut hinein, verzieht das Gesicht. So als verstehe sie den Inhalt der Bücher nicht. Wunderbar. Der Gang auf die Bühne. Sie geht im Karree. Mit ihrem Tic. Immer wieder um Leonce herum. Geräusche kommen mit dem Tic. Und dann, bleibt sie stehen. „Mein Prinz. Es ist Zeit zum Lernen.“ Magda liest einzeln die Titel der Bücher vor. Wissenschaftliche Bücher, die den Prinzen vorbereiten sollen auf das Königsein. Und er. „Was wollen Sie von mir, Magda? Sie sehen doch, dass ich beschäftigt bin. Ich habe beide Hände voll zu tun….“ Und Magda begreift die Welt nicht mehr. Wie kann sie den Prinzen überzeugen, zu lernen. Und zieht sich etwas beleidigt zurück auf den Korbstuhl, der hinten rechts am Fenster steht. Weiter mit ihrem Tic und auch das gleiche Händespiel, dass Leonce treibt. Leonce spielt weiter mit seinen Händen. Seine Arbeit, die ihn beschäftigt.
Erneuter Scheinwerferwechsel Richtung Tür. Doch wer erscheint dort? Ein fremdes Wesen. Ist es Belgin? Oja, wie sieht sie schön aus. Oder er? Ja, Er geht auf den Bühnensteg. Valerio, der Narr. Der das Leben locker nimmt. Mit einer Leichtigkeit. Schwarze Kappe auf dem Kopf. Die Lippen dunkelrot. Die Lider hellblau. Schwarze Hose, schwarzes T-Shirt. Giftgrüne Handgelenkstulpen. Valerio ist entstanden. Und steht auf dem Bühnensteg. Kichert. Was für eine Lache. Herrlich. Und Valerio betritt die Bühne. Tänzelt Richtung Leonce. Will ihn aufheitern. Den wunderbaren gebeugten Körper, die wunderbare Körpergymnastik. Einfach grandios. Valerio tänzelt ein paarmal um Leonce herum. Dann stellt er sich hinter ihn. Und Leonce, wie der Mensch läuft… Und der lebenslustige Valerio möchte einen Ochsen verspeisen, oder möchte gar ein Ochse sein, der das saftige Gras fressen kann. Das alles kann Leonce nicht verstehen. Er lebt in seiner eigenen Welt. Auch kann Valerio keinen Kirchturm herunterspringen, ohne sich die Knochen zu brechen, er kann keine vier Pfund Kirschen essen, ohne Bauchweh zu bekommen. Und Leonce, was soll das Valerio, du benimmst dich wie ein Narr. Das war das Zeichen für Valerio, ja ein Narr, das ist doch was. Das hat was Herrliches. Ein Narr zu sein. „Und in der Psychiatrie bekomme ich dann alles, was das Herz begehrt. Alles umsonst. Warmes Essen, ein gutes Bett, Und sogar die Haare umsonst geschoren.“ Und Valerio kann singen, den ganzen Tag. „Hei da sitzt e Fleig an der Wand.“ Und Valerio geht singend in die linke Ecke, setzt sich auf den Stuhl und macht weiter seine Kaspereien.
In der Zwischenzeit hat Magda die Krone geholt für König Peter. Die Krone liegt auf einem weißen Kissen, mit Bommeln an allen vier Ecken, auf einem hohen Hocker auf der Fensterseite vorne an der Bühne. Sie schreitet mit dieser Krone auf dem Kissen zu Leonce. Nimmt Leonce den goldenen Lorbeerkranz vom Kopf und setzt ihm dann die goldene hohe Krone auf. Und in der Zeit ist der Scheinwerfer auf Valerio gerichtet, der seine Faxen macht. Das Scheinwerferlicht geht auf Leonce, der sich in König Peter verwandelt hat. Er schaut zum Publikum. „Ich bin König Peter. Ich muss denken. Denn denken muss der Mensch.“ Und Magda, geht mit ihrem Tic im Karree um ihn herum. Erstaunt, dass König Peter denken muss. Sie nickt, so als verstehe sie alles. Ein schönes Spiel. Und König Peter. „Ich bin ich, ich bin ich.“ Magda, „ja Majestät, Sie sind sie. Sie müssen denken. Für das Volk, für die Untertanen.“ König Peter ein würdevoller König. „Oje, wo ist mein Hemd, wo ist meine Hose?“ Und Magda mit ihrem Tic läuft verzweifelt um ihn herum. „Das ist ja schlimm, mein kleiner König fällt heraus. Magda, warum um Gottes Willen habe ich einen Knoten in meinem Taschentuch. Magda, Sie wollten sich an etwas erinnern, Majestät. ….“ So ging das hin und her. König Peter, „ja jetzt weiß ich es, ich wollte mich an mein Volk erinnern, wollte meinem Volk sagen, ob mein Sohn morgen heiratet oder auch nicht.“ Magda mit ihrem Tic, „ja Majestät, sie wollten ihrem Volk mitteilen, dass ihr Sohn Leonce morgen heiratet. Oder auch nicht.“ Das ist so ein schönes Spiel zwischen König Peter und Magda. Die immer noch ihren Tic beibehält. Zum Schluss dann beendet König Peter die Sitzung. Er schwitzt und fürchtet sich, vor vielen Leuten zu sprechen. Also beendet er einfach die Sitzung. Und Magda wiederholt. „Ja die Sitzung ist beendet.“ Ach ja, die ganze Geschichte hat König Peter in einem tollen rheinischen Akzent gesprochen. Das war so toll. Die Kölner freuts.
Scheinwerferwechsel Richtung Tür. Eine neue Figur. Wunderbar. Doris als Prinzessin Lena. Sie betritt den Bühnensteg. Wunderbar sieht sie aus. Schwarzes langes Kleid. Ein eierschalfarbener großer Spitzenkragen umgelegt. Rote Kurzhaarperücke mit einem feinen Blütenkranz. Oh was für eine schöne Lena. Rotgeschminkte Lippen. Rosageschminkt die Lider. Silberfarbene lange Handschuhe an. Im Hintergrund verwandelt sich König Peter wieder in Leonce. Und steht mit dem Rücken zum Publikum an der Wand. Prinzessin Lena betritt die Bühne. Sie weiß nicht, was sie erwartet. Magda hat die Haube gewechselt. Sie hat jetzt einen schwarzen runden Hut auf, der aussieht, wie ein Türkenhut aus Tausend und eine Nacht. Magda ruft Lena. „Lena, meine Prinzessin. Komm.“ Sie hält ihre Hand hin. Doch Lena traut sich nicht. Sie hat Angst. Sie will nicht Magdas Hand nehmen. Fürchtet sich vor dem was kommt. Und Lena spricht im Wiener Dialekt. Wie schön. Immer wieder ziert sie sich. Doch endlich schafft es Magda, dass Lena ihre Hand nimmt. „Prinzessin Lena, du bist so hübsch. Du brauchst dich nicht zu fürchten. Du wirst morgen mit Prinz Leonce vermählt. Das ist doch wunderbar. Und wenn dann Leonce zum König gekrönt wird, bist du seine Königin.“ Und Lena immer wieder im schönen Wiener Dialekt antwortet. „Einen Prinzen heiraten, den ich nicht kenne. Wie soll ich ihn denn lieben?“ Und Magda, „die Liebe kommt von alleine. Du wirst sehen, kleine süße Lena. Du bist so hübsch.“ Doch Lena singt ein Lied. Und geht singend von der Bühne mit einer wundervollen klaren Stimme. Und lässt Magda traurig zurück.
In der Zwischenzeit hat Valerio sich in Rosetta verwandelt. Leonce wahre Liebe. Ach wie schön. Ein roter Pusch-BH über dem schwarzen T-Shirt. Die Haare gelöst, so dass sie sehr feminin auf die Schulter fallen. Eine wahre schöne Rosetta. Leonce wieder im Seilkreis. Und Rosetta tanzt um ihn herum. Flirtet mit Leonce. Leonce erwidert diesen Flirt. Rosetta geht in den Seilkreis. Schmiegt sich an Leonce. Und ein Liebestanz beginnt. So schön, so voller Liebe, so erotisch. Das ist der Wahnsinn. Beide verrückt nach Liebe. Doch dann, der Bruch. Leonce will Rosetta als Leiche lieben. Wie grausam. Er schiebt seine große Liebe von sich weg. Will sie nicht mehr lebend haben. Das ist traurig. So traurig. Rosetta geht von dannen. Fast muss ich weinen. Es erschüttert mich. Wie kann ein Mensch so grausam sein?
Der Abschluss, Rosetta wird wieder zu Valerio. Valerio heitert Leonce auf. Sagt zu ihm, „Leonce, jetzt wirst du zu guter Letzt noch zum Narr.“ Und sie gehen singend „Hei da sitzt e Fleig an der Wand“ von der Bühne. Magda sitzt immer noch auf dem Korbstuhl. Mit ihrem Tic und spielt mit den Händen. Fast drei Minuten lang. Die Spannung steigt. Es ist dunkel im Raum. Und dann ein erstes zaghaftes Klatschen. Das dann immer mehr zunimmt. Wolfgang hinter mir ruft laut Bravo. Auch ich stimme mit ein. Bravo. Der Applaus hält an, die Schauspieler kommen alle auf die Bühne. Christa hat Rosen auf die Bühne geworfen. Die Schauspieler heben sie auf. Wolfgang und Gianni werden auf die Bühne geholt. Ich verteile meine Rosen an die Schauspieler, an Wolfgang und Gianni. Bin fasziniert und glücklich, dass ich so einen schönen Abend erleben durfte. Und kein Hustenanfall hat mich erfasst. Das war gut. Während des Spiels hörte ich Wolfgang hinter mir immer wieder herzlich vor Freude lachen. Er war glücklich. Denke ich mir. Auch das herzliche Lachen von Belgin bleibt mir in großer Erinnerung.
Peter war der absolute Star des Abends. So viel Text. Und dann als König Peter noch im rheinischen Dialekt. Das ist wunderbar. Doris den Büchnertext in Wiener Dialekt umzuwandeln. Einfach grandios. Sigrid, die ihren Tic die ganze Zeit beibehalten hat, selbst wenn sie einsam im Korbstuhl saß. Belgin als lebenslustiger Valerio mit ihrer Gelenkigkeit, diese Lebenslust zu zeigen und als liebende Rosetta, die nicht verstehen kann, dass Leonce sie verstößt.
Wolfgang, der aus den Schauspielschüler/innen soviel rausgeholt hat. Und den Figuren Leben einhauchte. Toll. Gianni, der mit seiner Schminkkunst wunderbare Figuren gezaubert hat. Jede Figur hatte einen weiße Schminkgrundierung unter dem eigentlichen Schminken. Auch an den Händen und Armen. Wunderbar im Kontrast zum eigentlichen Schminken und der schwarzen Wand im Hintergrunde. Die Pausen wurden durch die Unterbrechung des Scheinwerferlicht eingeleitet. Die Figuren hielten inne, standen starr, wie eingefroren. Das war super.
Danke, es war einfach wunderbar.
Herzlichst Gabriela